Hoher geigerischer Anspruch
Foto: Ernst Mayer
In der heimeligen Atmosphäre des Amerdinger Schlosses erlebt ein erwartungsvolles
Publikum, das den Salon des gräflichen
Schlosses für das erste Konzert der Rosetti-
Festtage bis auf den letzten Platz füllt, ein
breites Band geigerischer Köstlichkeiten.
Das Streicherduo Barbara und Ingolf Turban
durchwandert vom Barock bis zu einer zeitgenössischen Komposition einen großen
Zeitraum. Rosettis adelige Kunden verlangten Noten einfacher, leichter Hausmusik bis
zu anspruchsvoller Orchestermusik. Humorvolle Unterhaltung liefert sein "Duo für zwei Violinen C-Dur" mit einem in langsamem Adagio
beginnenden und in tänzerische Bewegung übergehenden ersten Satz, hübschen Melodien mit abwechslungsreicher Begleitung und einen sehr ansprechender Rondo-Schlusssatz mit einfallsreichen Variationen.
Zeitlich früher ist die "Sonate A-Dur op. 3/2" des Franzosen Jean Marie Leclair anzusetzen, die
einen hohen geigerischen Anspruch verlangt. Ganz den barocken musikalischen Errungenschaften
gemäß können die beiden Geigenvirtuosen das kontrapunktische Geflecht der Stimmen und die
transparente Harmonik hervorragend darstellen. Sie lassen sich geigerisch fordern und glänzen mit
frischem Spiel und exzellenter Technik.
Inhaltlich und klanglich tiefer schürft W.A. Mozart mit dem "Duo für Violine und Viola G-Dur
KV 423", das sich mit den beiden klangreichen Instrumenten als sehr gestaltungsfähig erweist, vor
allem mit mancher berührenden Melodieführung, mit den liedhaften Themen im Adagio. Hier ragt
die Viola heraus, während in dem farbigen, abwechslungsreichen Rondeau beide die musikalischen Gegensätze feinfühlig herausarbeiten.
Ein zeitgenössisches Werk mit einer Uraufführung in ein Rosetti-Konzert einzufügen, ist bei ein-
gefleischten Rosetti-Fans gewagt. Präsident Johannes Moesus soll das bei Burkhard Egdorf, Musikredakteur bei SWR, höchstpersönlich bestellt haben. Die Zuhörer erleben einen krassen Ge-
gensatz zu Rosettis Kunst. Auch bei Egdorf ist eine gefühlsbetonte Grundstimmung erkennbar,
wenn auch ein programmatischer Hintergrund vorherrscht: "In drei Anläufen" (so der Titel der
Komposition) gerate alles in Bewegung, verharre - zwar in Spiralen - aber immer wieder auf der
Stelle. In dynamischer Intensität erwachen aus dem gemeinsamen Spiel solistische Phasen, Tonexperimente, hüpfende Bögen, gezupfte und gedämpfte Töne, ungewöhnliche Intervallfolgen und
überraschende Wendungen und ein fast mystisches Ende. Eine herausragende musikalische und
physische Leistung des Streicherduos.
Der Rückgriff auf die Renaissanceform des Madrigals war ein beliebter Kunstgriff des tschechischen Komponisten Bohuslav Martinů, wie in den "Drei Madrigalen für Violine und Viola", also
nicht für Gesang, sondern für zwei Streichinstrumente. Durch Akkordspiel, Tremoli und andere
Klangeffekte erreichen dabei die beiden Instrumente die Klangfülle eines Streichquartetts. Im
tschechischen Volkston werden die nationalen Wurzeln Martinů’s und seine Liebe zur Heimat
hörbar.
Gleichsam als Zugabe ist Johan Halvorsens "Sarabande con variazioni" eine Erinnerung an Georg
Friedrich Händel, wofür er auf Themen dessen berühmter Klaviersuiten zurück greift und ein virtuoses Streicherstück bietet, Barbara und Ingolf Turban verabschieden sich damit von dem hoch
zufriedenen Publikum und erhalten als exzellentes Solistenpaar dessen reichen Beifall. (emy)
Foto: Reinhold Seefried
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